Die folgenden Aufrufe wurde durch Mitglieder des Vereins gegen Rechtsmißbrauch e.V. an die Teilnehmer/Teilnehmerinnen der Richtertage verteilt:

AUFRUF AN DEN 22. DEUTSCHEN RICHTER- UND
STAATSANWALTSTAG IN WEIMAR VOM 5.-7.4.2017

20. März 2017

Sehr geehrte Frau Richterin, sehr geehrte Frau Staatsanwältin,
sehr geehrter Herr Richter, sehr geehrter Herr Staatsanwalt,

wir bitten Sie, sich auf diesem Richter- und Staatsanwaltstag zusätzlich mit den folgenden Problemen zu befassen, die von den Rechtsuchenden als dringlich angesehen werden:

  1. Richterstaat statt Rechtsstaat

Professor Dr. Bernd Rüthers beanstandet in der FAZ vom 15.4.2002: „Die Bundesrepublik wird vom gesetzgebenden Rechtsstaat, den das Grundgesetz gebietet, zum – oft unbe­rechenbaren – Richterstaat.“ Sie wären verpflichtet, sich Gedanken darüber zu machen, wie die „Reise in den Richterstaat“ (B.Rüthers) aufgehalten bzw. beendet werden kann.

  1. Richter(innen) in Kommunalparlamenten und Kreistagen

Dr. Ralf Bernhard kommt in „Richteramt und Kommunalmandat“, Duncker & Humblot 1983, Seite 235, zu dem Ergebnis, dass weder § 4 Abs. 1 DRiG (Unvereinbare Aufgaben) noch Art. 20 Abs. 2 GG(Gewaltentrennung) den Richtern erlaubt, ein kommunales Mandat neben ihrem Richteramt gleichzeitig auszuüben. Wer dies doch tut, kann deshalb kein gesetz­licher Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) sein. Die richterliche Rechtsprechung zu
§ 4 Abs. 1 DRiG widerspricht dieser Vorschrift. Dies sollten sie ändern.

  1. Fehlurteile

Der ehemalige Vorsitzende des Vereins gegen parlamentarischen und bürokratischen Miß­brauch, Dortmund, Dr. Spielmann, meinte, dass „nach seinen Erfahrungen 25 bis 30 Pro­zent aller Gerichtsentscheidungen Fehlentscheidungen sind“. Der verstorbene Richter Dieter Huhn schrieb 1982 in einem Buch über „Richter in Deutschland“ (NJW 2000, 51): „Ich bin selbst ein deutscher Richter, seit fast 20 Jahren. Ich würde mich nicht noch einmal entscheiden, ein deutscher Richter zu werden. Die deutschen Richter machen mir Angst.“ Seit einigen Jahren kann die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) mit der Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO gerügt werden. Bisher ist nicht bekannt ge­worden, dass diese Rüge auch nur in einem Fall erfolgreich war. Offenbar liegt dies an der richterlichen Berufskrankheit, der Selbstgerechtigkeit (Rudolf Wassermann). Es ist deshalb verständlich, dass gemäß einer neueren Umfrage nur eine Minderheit der Bürger(innen) „volles Vertrauen“ zu den Richtern bzw. zu den Gerichten hat. Sie sollten sich wegen des Rechtsstaatsgebotes mit diesem Problem beschäftigen.

  1. Rechtsbeugung (§ 339 StGB)

Die Professoren Bemmann, Seebode und Spendel werfen dem BGH in der Zeitschrift für Rechtspolitik 1997, 307f, vor, diese Strafvorschrift gesetzwidrig auszulegen und an­zuwenden. Diese gesetzwidrige Auslegung und Anwendung, die den Gesetzeswortlaut miss­achtet, führt dazu, dass die der Rechtsprechung auferlegte Selbstkontrolle praktisch außer Kraft gesetzt wird. Auch für die Rechtsprechung gilt: Unkontrollierte Macht korrumpiert. Sie sollten sich für die von den drei Professoren vorgeschlagene Reform des § 339 StGB einsetzen, wonach auch die minder schwere Rechtsbeugung strafbar sein soll, und zwar mit mindestens sechs Monaten Freiheitsstrafe.

  1. Dienstaufsicht (§ 26 Abs. 2 DRiG)

Wir fordern, die Dienstaufsicht über Richter auf einen von den Gerichtspräsidenten unabhängigen Justizombudsmann zu übertragen, weil die Dienstaufsicht ihrer gesetz­lichen Verpflichtung fast nie nachkommt. Von den Gerichtspräsidenten und den Justiz­ministerien wird gesetzwidrig behauptet, wegen der richterlichen Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) dürfe die Dienstaufsicht auf Beschwerde einer Partei hin ein Urteil nicht bewerten. Dies ist falsch (BGH-Richter a.D. Dr. Herbert Arndt in Deutsche Richterzeitung 1974, 251). Zu Recht beklagt der ehemalige Richter am Oberlandes­gericht Köln, RA Dr. Egon Schneider, in der Zeitschrift für die Anwaltspraxis 2005, 49: „Eine crux unseres Rechtswesens ist das völlige Versagen der Dienstaufsicht gege­nüber Richtern. Welche Rechtsverletzungen Richter auch immer begehen mögen, ihnen droht kein Tadel.“

V.i.S.d.P.: Dr. K.P. Völkl, Vorsitzender

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