Aufruf an den 70. Deutschen Anwaltstag in Leipzig
vom 15.-17. Mai 2019

Sehr geehrte Frau Rechtsanwältin,
sehr geehrter Herr Rechtsanwalt,

wir bitten Sie, sich auf diesem Anwaltstag zusätzlich mit den nachstehenden Problemen zu befassen, die von den Rechtsuchenden als dringlich angesehen werden:

1.0 Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft (§ 191f BRAO)

Wir begrüßen die Errichtung der unabhängigen, kostenlosen „Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft“ in Berlin, die zuständig ist für Streitigkeiten über die Höhe der Anwaltsvergütung und für Haftungsansprüche (Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages) gegen den Rechtsanwalt/die Rechtsanwältin bis € 50.000,–. Dieser Betrag müsste erhöht werden. Der Schlichtungsspruch sollte bis € 5.000,– verbindlich sein. Die Teilnahme an der Schlichtung sollte für den RA oder die RA‘in verbindlich sein.

2.0 Anwaltsgericht (§ 92 BRAO), Anwaltsgerichtshof (§ 100 BRAO)

Bekanntlich verurteilt ein Berufsangehöriger nur ungern einen Kollegen wegen seines standeswidrigen Verhaltens. Daher sollten, wie in Großbritannien und in den nordischen Staaten, in diesen Gerichten sachkundige Laien und Verbraucher(innen) vertreten sein. Die Verhandlungen sollten öffentlich sein.

3.0 Ersatz des Rechtsberatungsgesetzes von 1935 durch das Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG), das am 1.7.2008 in Kraft getreten ist

Wir bedauern, dass der Gesetzgeber das Rechtsberatungsgesetz von 1935 nicht ersatzlos gestrichen hat. Auch das RDG hält an der Bevormundung des Bürgers oder der Bürgerin hinsichtlich der Rechtsverfolgung fest. Der Rechtsstaat setzt die Mündigkeit seiner Bürger(innen) voraus. Deshalb müsste jeder selber entscheiden können, ob er sich eines Rechtsanwaltes bedienen will oder nicht. In Großbritannien gibt es ein solches Gesetz nicht. Es ist nicht bekannt geworden, dass die Rechtsuchenden in diesem Land deswegen rechtlich benachteiligt sind.

4.0 Reform des § 339 Strafgesetzbuch (Rechtsbeugung)

Die Professoren Bemmann, Seebode und Spendel treten in der ZRP 1997, 307f, für
die dringend nötige Reform dieser Strafvorschrift ein. Sie fordern, auch die minder schwere Rechtsbeugung mit Freiheitsstrafe zu ahnden (nicht unter sechs Monaten). Der Anwaltstag sollte sich für die gesetzliche Verabschiedung dieser dringend nötigen Reform einsetzen. Dies gebietet § 1 Abs. 2 Satz 2 BORA (siehe 6.0).

5.0    Parteiverrat (§ 356 Strafgesetzbuch)

Parteiverrat wird viel öfter begangen, als er in den wenigen, strafrechtlichen
Verurteilungen sichtbar wird. Die Rechtsanwaltskammern wie auch die Staatsanwaltschaften gehen den Beschwerden/den Anzeigen Betroffener meistens offenbar nicht
so nach, wie dies gesetzlich geboten ist. Dieses Verhalten muss sich ändern.

6.0 Berufsordnung Rechtsanwälte (BORA § 1 Abs. 2 Satz 2)

Gemäß der von der Anwaltschaft selbst beschlossenen Berufsordnung Rechtsanwälte (BORA) „dient seine Tätigkeit der Verwirklichung des Rechtsstaats.“ Die Anwaltschaft könnte dem von ihr selbst gesetzten Anspruch u.a. dadurch gerecht werden, wenn sie den Vorschlag ihres Kollegen Dr. Egon Schneider aufgreift, wonach die Rechtsanwaltskammern berufen wären, ein „Weißbuch zum alltäglichen Justizunrecht“ zu erstellen (ZAP-Report: Justizspiegel, Nr. 6 vom 24.3.1999)

7.0 Beschwerden gegen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten

Seit 2007 ist in England und in Wales die anwaltliche Berufsaufsicht eine staatliche Aufgabe, weil die „Bar Councils“ ihren Aufgaben nicht mehr gerecht wurden. Dies trifft auch für die Rechtsanwaltskammern zu. Die Politik sollte auch in unserem Land die Berufsaufsicht über RAe einer staatlichen Behörde übertragen.

V.i.S.d.P.: Dr. K.P. Völkl, Vorsitzender

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